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Dynamische Abstraktion

Seit dem Aufkommen der abstrakten Kunst hatten viele Künstler immer wieder den Wunsch, Dynamik auf der statischen Leinwand zu erzeugen. Dieser Wunsch hat sich allerdings für viele als ein unüberwindliches Hindernis entpuppt. Die Geschichte zeigt uns jedoch, dass es einigen Künstlern gelang, diese Herausforderung erfolgreich zu meistern.

Zunächst brauchen wir nur an Wassily Kandinsky zu denken. In seinen Werken unternahm er unbestritten als einer der ersten den Versuch, die Verbindung und Beziehung zwischen Form, Klang und Farbe zu erforschen um Dynamik zu erzeugen. Beispielsweise betont das Bild Three Sounds deutlich die musikalische Analogie. In Anbetracht der Tatsache, dass Musik nur in einem zeitlichen Rahmen existieren kann, können wir argumentieren, dass keine musikalische Repräsentation ohne Zeitfaktor möglich ist. In diesem Fall vermittelt der Künstler eine Dynamik, die den Lauf der Zeit durch seine Verwendung von Formen und Farben abbildet.

Weitere Beispiele für Dynamik finden wir in den Werken von Piet Mondrian. Dabei ist es im Gegensatz zu Kandinskys musikalischen Analogien wichtig anzumerken, dass Mondrians Anliegen darin besteht, sein Ideal einer Architektur nachzubilden. Das erreicht er „ausschließlich durch ein ausgewogenes Verhältnis von Form und Farbe.” Wenn er allerdings diese Elemente einsetzt ist es besonders wichtig, den grundlegenden Gesetzen der künstlerischen Ausdrucksform zu entsprechen. Er bezieht sich auf ein dynamisches Gleichgewicht „das dem statischen Gleichgewicht entgegengesetzt ist, welches sich aus der speziellen Form ergibt. Die wesentliche Aufgabe der Kunst ist es daher, das statische Gleichgewicht zu zerstören indem es durch ein dynamisches Gleichgewicht ersetzt wird. Die nicht-gegenständliche Kunst fordert dazu auf, einen Versuch zu unternehmen, die Konsequenz dieser Aufgabe, die Zerstörung bestimmter Formen und die Konstruktion von Rhythmus und wechselseitigen Beziehungen, Formen oder freien Linien umzusetzen. Wir müssen dabei jedoch eine Unterscheidung zwischen diesen zwei Formen des Gleichgewichts bedenken um Verwirrung zu vermeiden; denn wenn wir von einem reinen und simplen Gleichgewicht sprechen, können wir gleichzeitig für und gegen eine Ausgewogenheit im Kunstwerk sein.” (Piet Mondrian, "Plastic Art & Pure Plastic Art", British Journal Circle 1937)

Schließlich können wir auch das Schaffen von Marcel Duchamp betrachten. Duchamps frühe Arbeiten sind von postimpressionistischen Stilen geprägt. Er experimentierte jedoch auch mit klassischen Techniken und Themen sowie mit dem Kubismus und Fauvismus. Dabei ist für uns jene Periode von besonderem Interesse, in der er sich mit der als Puteaux Gruppe bekanntgewordenen Gruppe auseinandersetzt. Während dieser Periode experimentierte Duchamp mit dem kubistischen Stil, und beginnt, nachdem er das Interesse am Kubismus verliert, sich mit alternative Konzepten wie Bewegung, die er durch die Verwendung von sich wiederholenden bildlichen Darstellungen erzeugt, auseinanderzusetzen. Die Ideen für Übergänge, Veränderungen, Bewegung und Distanz übten eine Faszination auf ihn aus die ihn in der Folge zur Ausarbeitung seiner „mechanistischen” Arbeiten führten. Dieser Stil beinhaltete sowohl Elemente der Fragmentierung und Synthese der Kubisten als auch Elemente der Bewegung und Dynamik der Futuristen.

Alle oben erwähnten Beispiele dienen dazu, nicht nur die Schwierigkeit zu vermitteln, die in der Schaffung von Dynamik auf einer statischen Leinwand besteht, sondern auch die vielfältigen Lösungsmöglichkeiten dieser Herausforderung hervorzuheben. In diesem Zusammenhang ist es angebracht, die Arbeiten von Osvaldo Mariscotti zu betrachten. Zunächst erzeugt Mariscotti ebenso wie Kandinsky und Mondrian durch die Elemente in seinen Arbeiten Analogien. In diesem Fall porträtiert der Künstler anstelle von Musik oder Architektur eine Einheit in einer Umgebung. In seinen Werken können wir ein Kernstück, das Individuum, die leitende Rolle erkennen, die sich verändert und durch die Umgebung und Umstände geformt wird. In Mariscottis Arbeiten wird Dynamik daher aus der ursprünglichen Form oder dem ursprünglichen Körper erzeugt, der sich verändert und in der Folge zu etwas anderem, einer anderen Form wird.

Wir können in Mariscottis Arbeiten einige charakteristische Elemente identifizieren. In erster Linie das Kernstück, das immer in schwarz oder weiß porträtiert wird. Das ist das Element, das sich als eine Konsequenz des Mediums, in dem es sich befindet, verändert, ein Schauspieler, dessen Darbietung wir auf der Leinwand verfolgen. Zweitens, aber nicht minder wichtig, ist die durch die Farbgebung gestaltete Umgebung. Diese Umgebungen sind dicht, sodass es für den Schauspieler kein Entkommen gibt. Drittens, und das ist das Wesentliche, gibt es die Ringe und Schattierungen die das Kernstück umgeben. Diese Ringe symbolisieren die Spannung die bei allen Veränderungen auftritt. Diese Spannung ergibt sich aus dem allen Veränderungen innewohnenden Konflikt, aufgrund dessen sich der Schauspieler widersetzt und wehrt. Die Ringe und Schattierungen erzeugen daher eine Vibration, eine unterschwellige Dramatik, die dann auftritt, wenn diesen Individuen Veränderungen aufgezwungen werden und die eine eigene Dynamik und beständige Veränderung darstellt. Das vierte und letzte Element in Mariscottis Arbeiten ist die Verwendung unterschiedlicher Ebenen. Diese besondere Konstruktion gelingt ihm durch die Vermittlung einer Dreidimensionalität, die durch simple, über die Leinwand verteilte Beistrichlinien erzeugt wird und den Elementen Mobilität verleiht.

In Anbetracht dieser Elemente stellt sich die Frage, wie sich die dynamische Abstraktion in Mariscottis Arbeiten entwickelt. Sie erfolgt durch die umfassende und komplexe Interaktion zwischen diesen Elementen. Die schwarzen (oder weißen) Elemente, die Schauspieler, die die Einheit repräsentieren, entstehen aus undefinierten Formen, als Neugeborene, die durch ihre Umgebung geprägt werden können. Indem er jedoch mit verschiedenen Landschaften, den farbigen Komponenten, interagiert, wird die anfangs formlose Einheit geformt, verändert sich, passt sich an und entfaltet sich. Während jede Komponente eine Art Mikrosphäre oder Terrarium, ähnlich der unmittelbaren Umgebung eines interaktiven Wesens, repräsentiert, können die benachbarten Komponenten auch einen Einfluss ausüben. Diese Art von Einfluss über eine Distanz hinweg, verhilft wie die Schwerkraft zu einer gewissen Ordnung und begründet eine Reihe ungeschriebener Gesetze, denen das gesamte Werk folgt und ihm Struktur verleiht.

Demzufolge finden wir bei Mariscotti eine neue Art dynamischer Abstraktion. Mit einer großartigen Kombination aus Farbe und Form erzeugt Mariscotti ein Universum innerhalb eines Universums, in dem Individuen geboren werden, wachsen und sich aufgrund des beständigen Kampfes verändern und anpassen. Dieser der entsprechenden Umgebung inhärente Kampf kann nur durch das Bewältigen der dazugehörigen Hindernisse aufgelöst werden. Mariscottis Arbeiten sind daher eine Analogie des Lebens, die den beständigen Kampf veranschaulicht, dem jedes Individuum ausgesetzt ist. Dieser Kampf ergibt sich aus der Umgebung und kann daher nicht vermieden werden, sondern zwingt das Individuum durch seine Unvermeidlichkeit zu beständiger Veränderung. Aus diesem Grund ist Veränderung in Mariscottis Werk nicht Mittel zum Zweck sondern die unvermeidliche Realität.